Ein Reichhennersdorfer erzählt von Dominikus Hübner

Kam man von Landeshut über den Gerichtsberg oder auf der Landstraße, so grüßte uns unser Dorf schon von weitem. Es begann am Westhange des Langen Berges und reichte bis hinunter an die Johnsdorfer Boberwiesen. Es war ein ausgesprochenes Reihendorf, unsere Vorfahren haben entlang des Reichhennersdorfer Wassers ihre Wohnstätten gebaut. Wir zählten ungefähr 145 Häuser und diese dienten annähernd 660 Personen als Wohnstätten.

Kam man über Breitenau in den Ort, so führte uns der Dorfweg immer höher hinauf bis zum letzten Haus des Ortes. Hatte man auch eine beträchtliche Steigung zu überwinden, so wurde man sogleich entschädigt. Lag einem doch das ganze Dorf zu Füßen, umrahmt vom herrlichsten Fernblick, angefangen vom Scharlach und der Schneekoppe im Hintergrunde.

Ließ man den Blick auf die andere Seite schweifen, so lag das Grüssauer Ländchen mit dem ganzen Waldenburger Bergland Kuppe an Kuppe vor einem. Herrlich die Szenerie der Aussicht vom Langen Berge, wer sie gekannt hat, wird sie noch heute vermissen.

Am Langen Berge war eigentlich immer etwas los, ganz in der Jugendzeit war dort die König-Friedrich-Baude. Dort brannten wir unser Johannisfeuer ab und schwangen unsere brennenden Besen, daß sie weit ins Tal hinabsausten. Später wurde der Lange Berg ein berühmtes Segelfluggelände, und es kamen Segelflieger von Breslau, Schweidnitz usw.

Auch die Landeshuter liebten den Langen Berg. Sie marschierten beim ersten Hahnenschrei durch Heinzel seinen Hof in Richtung Langer Berg. Den ganzen Bergzug entlang bis zum Angenelli und zum Abschluß ins Waldschlößchen. Dort gab es eine anständige Stärkung und ein freundliches Wort.

So ganz nebenbei haben wir schon zwei Gaststätten erwähnt, die nicht mehr existierten, so wollen wir auch der dritten, dem “Entenkretscham”, gedenken. Eduards Hotel war bequem für die Oberdorfer, wenn sie Durst hatten, bis der Rote Hahn es 1928 kassierte.

Treu bis zum letzten blieben noch die beiden anderen Gaststätten, der Kretscham von Menzel und der Bergfrieden von Wike. Diese Lokale hatten beide einen Tanzsaal, so wurden abwechselnd die Vereinsfestlichkeiten mal hier, mal dort gehalten. Im Kretschamsaale war in der Mitte eine Säule um die immer rundherum getanzt wurde. Auch Emil seine Pferde waren oft Gäste an der Theke, das Bier schmeckte auch ihnen.

Nun nochmal der “Bergfrieden”. Wie kam er zu seinem Namen? Ja liebe Jugend, im vorigen Jahrhundert hat man nicht nur in Waldenburg, sondern auch bei uns Kohle aus der Erde geholt. Das Bergwerk entstand um 1875 und ist schon 1890 wieder stillgelegt worden. Da, wo Ditterla wohnt, standen die großen Schachtanlagen, aber wo die Kohle eigentlich in der Erde lagerte, am Blick- und Haseschacht, fehlten die Anlagen. Der Umbau hätte viel Geld gekostet, also machte der Liebauer Kohlenverein - so hieß unsere Zechenverwaltung - einfach Schluß. Sie bestellte Pioniere, diese sprengten die Schornsteine und Schachtanlagen in die Luft. In dem Verwaltungsgebäude unterhalb des Angenelli machte dann Herr Hampus einen Schankstättenbetrieb auf, das ehemalige “Waldschlößchen”. Schluß mit den Kneipen. Wir bekommen in keiner mehr was.

Jetzt gehen wir über zum Wasser. Eingangs erwähnte ich schon, daß der ganze Ort längs des Dorfgrabens liegt. Gleichfalls gab es auch einen unterirdischen Wasserlauf, nämlich die Wasserleitung. Wir waren eine moderne Gemeinde, denn wir hatten schon seit 1912-14 Hochdruckwasserleitung mit ganz hervorragend gutem Wasser, was uns der Kreismedizinalrat jedes Jahr neu bescheinigte. Die Hydranten spritzten bis in den Kirchturm, und da mußte schon Druck vorhanden sein.

Auch in der Elektrizität waren wir nicht die Letzten. Sofort nach dem ersten Weltkriege errichtete Firma Haase in Johnsdorf ein Elektrizitätswerk und Reichhennersdorf schloß sich an. Dieses ganze Leitungsnetz wurde kurz vor oder Anfang des zweiten Weltkrieges auf das Waldenburger Elektrizitätswerk umgebaut, alles mit Kupferdraht. Also von wegen Rückständigkeit, immer Fortschritt vorwärts.

Verkehrsmäßig war jeder zu erreichen, wenn wir beim “Schwerte” rechts abbogen, beim “Hechte” vorbei, über Schwarzer Bäcker bei der Badeanstalt vorbei durchs ganze Dorf entlang in Richtung Bethlehem; wenn man diese Strecke gelaufen war, so ist man bald an jedem Hause vorbei gepilgert. Die Landstraße 1. Ordnung von Landeshut nach Liebau durchschnitt unsere Ortsmitte.

Es war auch manchmal gut, daß es um unseren Ort verkehrs- und wassermäßig gut bestellt war. Wir hatten doch auch einen netten Spitznamen: “Brennhennersdorf”. Es brannte doch so leicht bei uns zuhause, wer konnte dafür? Im Niederdorf, wo es ganz arg war, haben die Feuerwehrmänner manchmal gesagt: “Hättet doch die Bude bald mit angesteckt!” Und was wurde? Acht bis vierzehn Tage später brannte sie doch.

Vater fuhr oft die Spritze, im Gespann war ein Schimmel, wenn der im Stalle die Feuerhupe hörte, war er kaum noch zu halten. Mit dem Schimmel haben wir mehrere Male Prämien herausgefahren und sind in Johnsdorf die Ersten gewesen, die Wasser gaben. Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr.

(Dominikus Hübner)